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Die ersten vierzig Jahre

Der nachfolgende Text beruht auf einem entsprechenden Artikel des damaligen Präsidenten der DIG Cav. Uffz. Dr. Werner Wienbek zur Festschrift des 40jährigen Jubiläums der DIG Kassel im Jahre 1992 und wurde anlässlich der nunmehr erscheinenden Festschrift zum 70jährigen Jubiläum im August 2022 überarbeitet bzw. sinnvoll gekürzt.

 

40 Jahre Deutsch-Italienische Gesellschaft Kassel e.V.

40 Jahre Städtepartnerschaft Kassel – Florenz

Beide Jubiläen gehen zurück auf zwei verschiedene Ereignisse des Jahres 1952, die durch die Person eines Mannes, den am 7. Oktober 1977 verstorbenen Kasseler Facharzt Commendatore Dr. Wilhelm Möller, miteinander verklammert sind. Er zeichnet für beide Ereignisse, die in einer inneren Beziehung zueinander stehen, verantwortlich.

Das erste Ereignis ist die Gründung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft, die auf die private Initiative von Herrn Dr. Wilhelm Möller zurückzuführen ist. Die erste Satzung der DIG Kassel beruht im Wesentlichen auf den Ausarbeitungen des damaligen Rechtsanwaltes, Dr. Bernhard Gallrein. In § 1 dieser Ursprungssatzung ist vermerkt, dass der 21.05.1952 „als Gründungstags des Vereins gilt“. In § 2 der Satzung wird der Völkerverständigungsgedanke betont und die Pflege Deutsch-Italienischer Kulturbeziehungen und der Beziehungen zwischen den Städten Kassel und Florenz hervorgehoben.

Das zweite Ereignis steht mit dem ersten in engem Zusammenhang: Als Dr. Wilhelm Möller im Juli 1952 eine private Reise nach Florenz unternahm, wurde er dabei zum Überbringer eines offiziellen Schreibens des damaligen Kasseler Oberbürgermeisters Willi Seidel an seinen Florentiner Amtskollegen, den dortigen Sindaco Giorgio La Pira, in dem die Aufnahme beiderseitiger Beziehungen vorgeschlagen wurde.

Die Gründung von Städtepartnerschaften war zu jener Zeit ein Ausnahmefall interkommunalen Austauschs, und so ist es durchaus nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die private Initiative von Herrn Dr. Möller und ihm folgend die Bereitschaft der Stadtoberhäupter von Kassel und Florenz eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung europäischen Denkens innerhalb der Bevölkerung und bei der Schaffung von Solidarität und Gemeinschaftssinn einnahm.

In den ersten Jahren nach 1952 erfolgten einige private Initiativen, um die Städtefreundschaft lebendig werden zu lassen. Bereits 1953 begann dann die DIG mit den Studienfahrten nach Italien. Seit der ersten Florenzreise, die vom 7. bis zum 17. Oktober 1955 stattfand, wurden von den Reiseteilnehmern Tagebücher in Form von Erlebnisberichten angefertigt. Für die Teilnehmer selbst aber auch für Außenstehende stellen solche Fahrtenbücher einen steten Quell der Erinnerung und der bereichernden Erfahrung dar.

Motor dieser Studienreisen war lange Jahre hindurch der in vielen Funktionen innerhalb des Vereins fungierende Studiendirektor Dr. Walter Lehmann. Er hat auf seinen vielen Reisen Menschen jeden Alters und aus allen Berufen an die Geschichte und die Kunst, an Land und Leute Italiens, herangeführt und sich dabei unschätzbare Verdienste erworben. Dies gilt insbesondere für seine zahlreichen Schüler, welche die Fahrten der ersten Jahre wohl nie vergessen werden.

Anfänglich reiste man noch, gemessen an den Verhältnissen der Gegenwart, ziemlich einfach, um nicht zu sagen primitiv. So wurde in den ersten Jahren solcher DIG-Studienfahrten noch gezeltet, und eine eigens mitgeführte „Küche“ sorgte für das leibliche Wohl der Mitreisenden, die sich – abgesehen von den Schülern – nicht selten schon in fortgeschrittenem Lebensalter befanden. So berichtete zum Beispiel die Münchner Illustrierte in ihrer Ausgabe vom 19. September 1953 auf Seite 2 mit Bild davon, wie Frau Elsa Lehmann, die mitreisende Ehefrau von Dr. Walter Lehmann und treusorgende Fahrtenbegleiterin über Jahrzehnte hinweg, zusammen mit dem Busfahrer und dessen Frau in Mailand auf offener Straße auf einem Propangaskocher das Mittagessen für die Reisegruppe bereitete, während die Fahrteilnehmer mit Dr. Lehmann nahebei das „Abendmahl“ des Leonardo da Vinci besichtigten.

Solche Reisen wurden in der Regel durch Einführungsvorträge vor Antritt vorbereitet, getreu dem Grundsatz, dass man auf Reisen durchs Land in der Regel nur das sieht und wahrnimmt, von dem man zuvor schon weiß.

Vorträge und Reisen waren und sind – neben geselligen Zusammenkünften und jährlichen Sprachkursen, die damals durch einen Freund der Familie Wienbeck, Professor Enzo Amorini aus Perugia, durchgeführt wurden – die Schwerpunkte der Tätigkeit der DIG Kassel.

Die offiziellen Städtepartnerschaftskontakte begannen sich eigentlich erst ab dem Zeitpunkt zu beleben, als die städtischen Körperschaften in Kassel beschlossen, einen Platz in der Innenstadt nach der Partnerstadt Florenz zu benennen. Am 6. November 1958 wurde in Anwesenheit des damaligen Botschafters der Republik Italien und der Oberbürgermeister von Florenz und Kassel sowie weiterer Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens der „Florentiner Platz“ feierlich eingeweiht.

Im Gegenzug begab sich im Mai 1959 eine größere Kasseler Delegation auf Einladung nach Florenz, wo die Gäste, angeführt vom Kasseler OB Dr. Lauritz Lauritzen, im Palazzo Vecchio feierlich empfangen wurden.

Seit jener Zeit hat es nie mehr an Begegnungen – offiziellen wie privaten – in den beiden Partnerstädten gefehlt: Aus Kassel fuhren zahlreiche Abordnungen von Vereinen, Verbänden und Gesellschaften nach Florenz, so z.B. das Orchester der Wilhelmschule, das u.a. im „Saal der Fünfhundert“ im Palazzo Vecchio gastierte, oder die Zisselgilde ebenso wie Gesangsgruppen und Sportler nach Florenz. Umgekehrt besuchten italienische Gruppen aus Florenz die Stadt an der Fulda. So fand sich z.B. im November 1963 eine größere Schachspielermannschaft in Kassel ein.

Es ist rückblickend betrachtet als ein glückliches Zusammentreffen von Umständen zu bezeichnen, dass Dr. Werner Wienbeck als langjähriges Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Kassel und deren späterer Präsident (seit 1983) im Kasseler Rathaus als Leiter des Rechtsamtes (von 1961 bis 1986) zugleich auch – zumindest sprachlich – „Ansprechstelle“ war für alles, was mit der Städtepartnerschaft Kassel – Florenz zu tun hatte. Diese Verklammerung der Anliegen der DIG mit denen der städtischen Partnerschaftsbeziehungen in Florenz bewährte sich ganz besonders anlässlich der Flutkatastrophe in Florenz vom 4. November 1966. Der Einsatz des Hilfszuges der Kasseler Feuerwehr, verstärkt durch Kräfte der Freiwilligen Feuerwehren des Landkreises, unmittelbar nach dieser Katastrophe ist bekannt. In Florenz ist diese Hilfe aus Kassel bis auf den heutigen Tag unvergessen.

Das 40jährige Doppel-Jubiläum 1992, 40 Jahre DIG – 40 Jahre Städtepartnerschaft Kassel – Florenz, ist in erster Linie als Aufruf zu verstehen, auf dem seit 1952 beschrittenen Wege nicht stehenzubleiben, sondern fortzuschreiben, die Beziehungen aufrecht zu erhalten und weiter zu vertiefen, weil dies ein ganz wichtiges Mittel ist, in den Köpfen der Menschen hier wie dort ein Verstehen für die Probleme des jeweilig anderen zu wecken, zu erhalten und durch ein Eingehen darauf möglichst zu Lösungen zu gelangen.

In diese Sinne wollen wir als mitgliederstarke Gesellschaft, in der Fremdenhass keinen Platz hat, in die nächsten zehn Jahre unseres Wirkens gehen.

Die Arbeit der DIG in den letzten Jahrzehnten wird insbesondere durch die Reichhaltigkeit und die Qualität der Vortragsveranstaltungen und deren Darstellung in der Öffentlichkeit deutlich. Hier sei darauf hingewiesen, dass die Konzeption dieser Vortragsveranstaltungen ganz wesentlich vom unermüdlichen Wirken unserer Geschäftsführerin, Frau Ursula Schweiger, bestimmt wird.